Fortschritte - Dezember 2000
 

 
Medinet Habu, das angrenzende Dorf Kom Lola und vordringendes Ackerland.
 
Kairo
Dezember 2000
 
 
Liebe Freunde,
 
nachdem wir sechs Monate fort waren, kehrten Susan und ich am 3. November nach Theben zurück, um die Arbeit am TMP fortzusetzen. Es war eine kurze Saison, weniger als einen Monat lang, aber sehr lohnend und wir haben ein vernünftiges Fundament für die Arbeit in der kommenden Hauptgrabungssaison von Januar bis April 2001 gelegt.


 
David Goodman, über Deir-El-Bahari am Ramesseum sitzend.

Unser Landvermesser David Goodman und unser Architekt Walton Chan verbrachten einige Tage damit, die Vermessungspunkte neu einzurichten. - Wir benötigen sie, um das TMP Gitternetzwerk (TMP Grid Network) in unsere nächsten Arbeitsbereiche ausweiten zu können. Wir wollen Vermessungspunkte im Ackerland einrichten, das an die etwa 30 Totentempel, kurz vor der archäologischen Zone des Westufers angrenzt. Das Problem - das immer wieder auftritt - ist, daß die Dorfbewohner unsere Vermessungspunkte fast so schnell umgraben, wie wir sie festsetzen. Unsere Punkte befinden sich auf den Qurna-Hängen, von denen man einen weiten Blick über das Niltal und die Nekropole Thebens hat. Orte, an denen wir einen Theodoliten aufstellen können und eine freie Sicht über die Monumente haben. Sie geben uns ein lokales Äquivalent der Breite und Länge: Unser Gitternetzwerk gibt an, wo sich alles befindet. Ohne diese Hinweise wären wir verloren: Wir wären nicht in der Lage den genauen Standort irgendeines archäologischen oder topographischen Merkmals auf unseren Karten zu bestimmen. Unsere Vermessungspunkte aber befinden sich exakt an den Stellen der Hänge, von denen aus die Touristen ihre Panoramaaufnahmen von Theben machen. Und das bedeutet, daß es für die ansässigen Jugendlichen Stellen gibt, wo sie potentielle Kunden für gefälschte Skarabäen, Postkarten und Cola finden. Während sie auf die Ankunft der Touristen warten, sitzen die Dorfjungen untätig an diesen Stellen und kratzen die eingemeißelten Markierungspunkte weg, die wir in das Gestein eingebracht haben oder sie graben die Stahlstangen aus, die wir tief ins Gestein getrieben hatten und als Vermessungspunkte nutzen. Die Stahlstangen sind unseren Erkenntnissen nach wertvoll genug, um gesucht zu werden: Ich habe sie in reparierten Pflügen, zum Festhalten von Kühen oder als Teile von Webstühlen gefunden. Also stellen wir jedes Jahr die beschädigten Vermessungspunkte wieder her und versuchen, mit geringem Erfolg, sie zu verstecken oder zu verkleiden.


 
Luftaufnahme über den Süden, entlang der bestellten und archäologischen Zone, das Ramesseum im Vordergrund

Wir haben die Markierungen diese Saison deswegen wiederhergestellt, weil wir das Theben Grid Network bis zum östlichen Rand der Nekropole Thebens, wo das Ackerland auf den antiken Bereich trifft, ausweiten wollen. Hier, in einem tiefliegenden Streifen Wüste, ungefähr fünf Kilometer lang und zweihundert Meter breit, haben die alten Ägypter im Neuen Reich eine Menge Tempel erbaut. Dazu gehören solch prunkvolle Monumente, wie das Ramesseum, der Tempel Ramses II; der Tempel seines Sohnes und Nachfolgers, Merenptah; der Tempel seines Vaters, Sethos I und Medinet Habu, der Tempel seines, ihn nachahmenden Nachkommen Ramses III. Sie umfassen auch Dutzende von königlichen Tempeln, die heute durch Vandalismus, Erosion und steigendes Grundwasser so schwer beschädigt sind, daß sie nur die sorgfältigsten und erfahrensten Archäologen finden können.


 
Totentempel Merenptahs, die Anfänge der Rekonstruktion des Swiss Institute und das Freilichtmuseum sind zu sehen (Juni 1998).

Unser Ziel in den kommenden Grabungskampagnen wird sein, dieses Gebiet sorgfältig zu kartographieren und geophysikalische Untersuchungen der zerstörten oder verschütteten Tempel durchzuführen. Wir wollen auch Wege finden, das steigende Grundwasser zu bremsen, welches die Fundamente einiger Tempel bereits so geschwächt hat, daß sie vom Einsturz bedroht sind. Hunderte der anliegenden Grabkammern sind ebenfalls mit Grundwasser gefüllt, das die dekorierten Wände rasch zerstört.


 
Luftaufnahme vom Ramesseum. Man sieht, wie das Agrarland in die archäologische Zone vordringt.

Unser Projekt beinhaltete bereit viele Treffen mit der Altertümerverwaltung, den ägyptischen Ministerien für Landwirtschaft und Bewässerung und der US-amerikanischen Gesellschaft für internationale Entwicklung (US Agency for International Development). All diese Ämter unterstützen uns sehr bei diesem Projekt und ich hoffe, daß wir in Kürze über einige handfeste Ergebnisse von den Treffen berichten können. Wir haben vor einigen Wochen mit der Erstellung einer Übersicht des Grabungsfeldes vom Tempelbereich angefangen. Dank der Großzügigkeit der Rapid Imaging Software aus Albuquerque in New Mexico haben unsere Mitarbeiter auch mit dem Zusammenstellen von Satelliten- und Luftaufnahmen des Gebietes begonnen.


 
Existierendes Hinweisschild vor KV 2

Dank einer Spende, die uns von der American Express Foundation durch den World Monuments Fund zuging, haben wir ein aufregendes Jahr damit verbracht, neue Hinweisschilder für das Tal zu entwerfen. Neue Hinweisschilder sind schon lange überfällig, wie das Beispiel eines der alten Schilder und unser Ersatz dafür zeigt. Unsere individuellen Hinweisschilder für die Gräber, auf Aluminium-Paneele gedruckt, werden vor den Eingängen der 19 Gräber im Tal der Könige installiert, die bereits für die Öffentlichkeit geöffnet sind bzw. es bald sein werden. Zusätzlich werden zehn Schilder mit Karten und Informationen an Rastplätzen und an Kreuzungen im Tal angebracht. Auf Anregung der ägyptischen Altertümerverwaltung sollen die Schilder optisch ansprechend, mit einem minimalen, in Englisch gehaltenen Text sein. Wir sind dabei, eine 28-seitige Broschüre in arabischer Sprache zu drucken, welche die ägyptischen Fremdenführer und die Hunderte von ägyptischen Schulgruppen, die das Tal der Könige besuchen nutzen können. Die Broschüre versorgt den Benutzer mit einer gründlichen Anleitung durch das Tal und seiner einzelnen Gräber. Sie wird für die Fremdenführer, Lehrer und Schüler kostenlos am Eingang zum Tal der Könige und am zentralen Rastplatz erhältlich sein. 100.000 Ausgaben werden in einer Erstauflage gedruckt. Wir hoffen, daß die Benutzer der Broschüre diese künftig als Nachschlagewerk mit sich nehmen werden. Sie wird als Mahnung dafür dienen, wie wichtig die Monumente im Tal der Könige für die ägyptische Geschichte und die Wirtschaft des Landes sind.


 
Das Ersatzschild des TMP für KV 2

Die Schilder wurden von der Firma Schilderkop und dem Atelier Uznach in der Schweiz für uns hergestellt und werden gegenwärtig im Tal aufgestellt. Wir glauben, daß sie die Qualität der Touristenbesuche enorm vergrößern werden, vorallem seit die Altertümerverwaltung bekanntgegeben hat, daß es keinem Fremdenführer mehr erlaubt sein wird, im Inneren der Gräber Vorträge zu halten, sobald die Schilder an ihrem Platz sind. Statt dessen werden die Fremdenführer draußen ihre Vorträge halten und die Schilder als Hintergrund für ihre Präsentation nutzen. Der Effekt des Ganzen werden weniger überfüllte, ruhigere und weniger beschädigte Gräber sein. Es wird den Touristen die Möglichkeit geben, die wunderschönen Dekorationen in den Gräbern in Ruhe zu bewundern.


 
Plan von KV 5, Kammer 6 befindet sich in der Mitte links

Wir setzen auch unsere Arbeit in KV 5 fort. Susan Weeks ist wieder hart am arbeiten, sie untersucht die vielen Objekte und Keramikscherben, die in früheren Grabungskampagnen gefunden wurden. Unser Projektkoordinator in Luxor, Ahmed Hassan und ich machen fleißig Pläne für unsere nächste volle Grabungskampagne im Januar 2001.


 
Teilweise versiegelte Türöffnung, die von Kammer 3 in die noch nicht freigelegte Kammer 6 führt

Diese Pläne beinhalten weitere technische Arbeiten und Freilegearbeiten in Kammer 3 (ich bin schon begierig darauf festzustellen, was, wenn überhaupt, sich im Zentrum dieser faszinierenden Säulenhalle befindet) und das Freilegen der anliegenden Kammer 6. Letztes Frühjahr haben wir herausgefunden, daß die Türöffnung zwischen den Kammern 3 und 6 in antiker Zeit sorgfältig mit Steinblöcken versiegelt war. Die Öffnung zwischen den Kammern 5 und 6 war dabei offengelassen worden. Das könnte bedeuten, daß sich in Kammer 6 weniger Wasserschäden befinden als sonstwo im Grab und vielleicht eine gute Chance besteht, unbeschädigte Objekte zu finden. Wir werden auch unsere Arbeiten in den Korridoren 16 und 20 fortsetzen.


 
Luftaufnahme des Stoppelaere House

Um noch etwas zu erwähnen, die Altertümerverwaltung hat dem TMP die Erlaubnis gegeben, das, unter dem Namen Stoppelaere House bekannte Gebäude als Feld-Hauptquartier zu nutzen. Dieses herrliche Haus, aus Stein und Lehmziegeln erbaut, liegt auf der schmalen Spitze eines Hügels, von dem man einen weiten Blick einige hundert Meter weit nordwestlich des Hauses hat, in dem Howard Carter lebte. Stoppelaere House wurde von Ägyptens berühmtesten Architekten, dem späten Hassan Fathy in den frühen 1950ern entworfen. Es wurde für Alexander Stoppelaere, ein belgischer Konservator, erbaut, der von der Altertümerverwaltung angestellt worden war. Aber just als Stoppelaere sich 1952 auf seinen Einzug in das Haus vorbereitete, fand die Ägyptische Revolution statt und Stoppelaere, ein Ausländer, verlor seinen Job und verließ das Land. Das Haus ist seitdem fast ständig unbewohnt gewesen. Wir haben uns einverstanden erklärt, das Stoppelaere House nach Hassan Fathys Plänen wiederherzustellen (alle seine Notizen, Pläne und Tagebücher sind in der Bücherei für seltene Bücher in der Amerikanischen Universität in Kairo untergebracht). Im Gegenzug dürfen wir das Haus für eine absehbare Zeit als unser Hauptquartier für unser Projekt nutzen. Es gilt als ein solch großartiges Beispiel der Arbeit von Hassan Fathy, daß Prinz Charles ausdrücklich darum gebeten hat es besuchen zu dürfen, als er vor ein paar Jahren nach Luxor kam.


 
Quarzitstatuen von Amenophis III, vom nördlichen Tor seines Totentempelkomplexes

Luxor ist immer noch strahlend schön und wir sind begierig darauf, nach den Weihnachts- und Ramadan-Ferien dorthin zurückzukehren. Ich freue mich darauf, Ihnen bald wieder berichten zu können. Beste Wünsche für das neue Jahr!

Viele Grüße,


 
 
 
 


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